Am Sonntag war ich auf dem Mittelaltermarkt „Spectaculum“ in Oberwesel. Jede zwei Jahre findet dieser Mittelaltermarkt statt und trotz der Liebe zum Detail, den strikten Vorgaben an die Schausteller, was deren Gewandung und ihren Stand angeht, und der Kulisse in der schönen Altstadt des Ortes am Mittelrhein musste ich feststellen, dass letztendlich alle diese Märkte sich doch stark gleichen und auch das Angebot überall an sich identisch ist. Dabei wird auf diesen Veranstaltungen ein mit vielen Klischees behaftetes Mittelalter gezeigt, das mit den historischen Fakten nur rudimentär etwas zu tun hat. Ein Mittelalter, wie es der von Hollywood geprägten Geschichtsauffassung und dem touristenkonformen Mainstream (und damit dem Kommerz) zuträglich ist.
Es beginnt mit der Taverne, in der Niemand daran denken würde den Wein wie in früheren Zeiten anzubieten. In den Schenken viel Fleisch (wer konnte sich das früher schon leisten) und gut abgeschmeckt mit Gewürzen, die sicher nicht nur aus Europa stammen. Irgendwo steht auch immer ein Badezuber rum, in dem sich manchmal einige Wagemutige unter den spöttischen Blicken des prüden und hygienegewohnten Publikums hinein wagen. Die Verkäufer von pseudomittelalterlichem Schmuck (von Symbolen der Mayas über die der Kelten und Wikinger bis zum modernen Gothic ist alles dabei) und von indessen durch den Mittelalterboom in Serie hergestellten Gewandungen dürfen dabei natürlich auch nicht fehlen (und von der Wikingertunika bis zum Dreispitz aus dem 18. Jahrhundert fehlt auch wirklich wenig).
Die Gruppen, die normal Reenactment machen und bei solchen Veranstaltungen gerne als Rahmenhandlung gebucht werden, oft als Schaukämpfer und für das Ritter- bzw. Landsknechtlager, sind dabei wohl die wenigen Personen, die wirklich Ahnung haben von den historischen Hintergründen und sich um wirkliche, einer Epoche zugehörigen Authentizität bemühen. Darüber hinaus gibt es aber dann noch weitere Mittelalterinteressierte, die ihre Zugehörigkeit mit dem Erscheinen in mittelalterlicher Gewandung für jeden sichtbar zum Ausdruck bringen müssen – und das selbst in Oberwesel, wo man durch diese Kleidung keinen Preisnachlass erhalten hat.
Ich für meinen Teil finde unsere moderne Kleidung sowohl bequemer als auch praktischer – aber da mag man unterschiedlicher Meinung sein. Aber wenn, dann bitte nicht in Gewändern aus Pannesamt, die aus den alten und schlechten Historienschinken aus den 50ern entstiegen scheinen. Keine Larper, die meinen als Fantasy-Barbar in Lederkilt mit Fellresten hier richtig zu sein. Nicht stolz mit Larp-Polsterwaffen oder dem Baum von Gondor auf dem schwarzen Umhang umher stolzieren. Das sind nur einige Beispiele, wie man sich krampfhaft bemühen kann sein Ego zu streicheln, weil man ja angeblich „dazu gehört“ und von den „normalen Touristen“ bewundernd angeschaut wird, während man sich vor allen, die sich ernsthaft um etwas Authentizität bei Mittelalterveranstaltungen bemühen, lächerlich macht.
Seit einigen Jahren entdecken immer mehr Gemeinden das Mittelalter für ihre Festivitäten für sich und entsprechend häufiger sieht man Werbeplakate für Mittelaltermärkte. Wenn ich an die Besuchermassen in Oberwesel denke muss ich verwundert feststellen, dass dieser Boom trotz eines größeren Angebotes ungehindert anhält. Eine Tendenz, die man auch im Liverollenspiel findet, das sich meines Erachtens in den letzten Jahren auch von einer Subkultur in ein Massenphänomen gewandelt hat. Ob das ein Ausdruck für Wehmut nach einer einfacher strukturierten Zeit war halte ich für etwas zu oberflächlich, aber warum gerade diese Epoche so starken Zulauf findet wäre doch mal eine nähere Betrachtung wert – irgendwann später vielleicht 😉
Doch es wäre ungerecht, wenn ich nicht ehrlicherweise zugeben würde, dass ich eine interessante Stunde auf dem Markt hatte: Ein Fachgespräch über den Bau und die Sanierung von alten Fachwerkbauten. Etwas, was aber wohl nur wenige Besucher des Marktes wirklich interessiert hat. Als Fazit kann ich nur feststellen: Ich für meinen Teil werde wohl so schnell keinen Mittelaltermarkt mehr besuchen, denn da gibt es selten etwas Neues.
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