Freedom Keep, Jahr 1 nach der Entdeckung von Haven Island
Die Kerzen flackern schwach im Wind, der durch die geöffneten Fenster des Captain’s Quarters im Turm von Freedom Keep hinein weht. Wenn man hinaus schaut auf die See kann man hinter der Kimm das schwache Leuchten des anbrechenden Tages erkennen.
Der Earl of Freedom Keep sitzt in einem Sessel und dreht gedankenverloren ein Glas mit weißem Port in seiner Hand. Von einem Alptraum geplagt war er schweißgebadet früh aufgewacht. Nur mit einem Hemd und einer Hose bekleidet hängt er nun düsteren Gedanken nach und betrachtet die Schatten, die an den Wänden tanzen.
Wie Schatten erscheinen Bruchstücke des Traumes vor seinem inneren Auge. Von einer silbernen Priesterin, liegend in ihrem eigenen Blut. Von einer Stimme der Zeit, angekettet in einem finsteren Verlies. Von Elitawana, welches ein Raub von Zerstörung und Flammen wurde. Und über Allem das lachende Gesicht des Täuschers, des Hexers.
Das zweite Jahr des Blauen ist ein guter Grund, um sich zu freuen und der Lebenslust in vollen Zügen zu frönen. Aber immer wieder legt sich die Erinnerung an die erste Drachenwelt vornehmlich in seinen Träumen über Askirs Stimmung wie ein Leichentuch.
Die Erinnerung an die Kreaturen der Niederhöllen, welche Inat Laron mit sich nahmen. An die widerwärtigen Götter aus alter Zeit, die zurück kehrten. An den Tod der Kaiserin und den Untergang von Weltenwacht. An das öffentliche Auftreten des Hexers und die Erschaffung der Kreaturen, welche die schlechtesten und lieblosen Aspekte der Drachen vertreten.
Der Kapitän beugt sich vor, nimmt ein Blatt Papier und einen Stift, um seine Gedanken in seinem persönlichen Logbuch nieder zu schreiben:
Bald jährt sich meine letzte Reise in die erste Drachenwelt. Immer wieder stelle ich mir die Frage, ob die Drachen uns ein weiteres Mal dorthin rufen werden oder die erste Drachenwelt für die Drachen indessen verloren ist. Ob der Täuscher diese Welt erobert hat und ob dies auch Auswirkungen auf unsere Welt haben wird.
Gerne würde ich mit Mishra nochmal darüber reden. Sollte mich der Blaue noch einmal nach Elitawana senden wird es sicher einer meiner ersten Vorhaben sein: Mich gemeinsam mit Mishra und Sahar von der goldenen Akademie zusammen setzen. Wir hatten erst begonnen eine Theorie über den Hexer und seine Drachengötzen zu erstellen. Noch lange sind wir nicht zu einem Abschluss gekommen.
Seine Drachengötzen mögen die Eigenschaften und Aspekte haben, welche auch die uns bekannten Drachen besitzen. Doch was ihnen fehlt ist die Liebe. Alles, was Liebe erfordert, ist in ihren Aspekten nicht anzutreffen. Weil auch der Hexer keine Liebe kennt, so meine Mutmaßung. Wenn er einer der alten Götter ist oder von ihnen abstammt, so ist dies nicht verwunderlich.
Meiner Ansicht nach ist es erforderlich den Hintergrund und damit seine Schwächen zu kennen, um ihn zu vernichten. Diesen Blender und Tyrannen. Vielleicht ist unsere Liebe zu den Drachen und zu den Dingen einer der Schlüssel. Das gilt es zu ergründen und steht ganz oben auf meiner Agenda.
Es gilt den Täuscher zu vernichten, damit man sich ohne solche scheinbar übermächtige Bedrohungen anderen Problemen der ersten Drachenwelt widmen kann. Dazu zählt die Stärkung der Freien. Jener Erstdrachenweltler, die vom Geist des Blauen beseelt, begonnen haben für die Freiheit zu streiten.
Bei meiner vorletzten Reise nach Elitawana bin ich ihnen begegnet und mich lange mit Lydia unterhalten. Zudem war ich in einem Traum bei einer ihrer Besprechungen zugegen, um Sklaven in den Landen des Schwarzen Drachen zu befreien. Ein löbliches Bestreben, das jederzeit meine Unterstützung haben wird.
Aber eine Webleine nach der Anderen. Zuerst muss der Täuscher vernichtet werden. Wir müssen ihn schwächen. Dafür sehe ich zwei Wege: die Befreiuung von Aurora, der Stimme der Zeit, und die Erweckung der Drachen, die sich derzeit noch im Schlaf befinden.
Das Erste ist eine Aufgabe, der sich die Blauen schon letztes Mal gewidmet haben. Leider konnten wir den letzten Willen der früheren Stimme der Zeit nicht erfüllen, was aber nicht bedeutet, dass wir aufgeben werden. Zumindest ich denke so und ich hoffe, dass auch die anderen Blauen es so sehen. Aurora die Freiheit zu geben ist auch eine ureigene Aufgabe im Sinne des Blauen.
Als Gegenpol zu allen Drachen, die in der ersten Drachenwelt schon erwacht sind, hat der Täuscher die Drachengötzen erschaffen. Sie haben offenbar starke Gegner. Doch es gibt, wenn ich mich an das Gespräch mit dem Bildhauer der Drachenstele recht entsinne, noch drei Drachen, die schlafen und erst im Erwachen begriffen sind: der weiße Drache, der blaue Drache und der Drache des Wandels.
Die Blauen haben es schon geschafft, dass der Blaue im Aufwachen begriffen ist. Ich weiß nicht, wie lange Drachen zum Aufwachen so brauchen, aber gibt es nicht genug Priester und Gläubige, die zumindest versuchen sollten ihn schneller aus der Koje zu bekommen? Die Hilfe dieser drei Drachen könnten wir, besonders wenn der Täuscher ein alter Gott ist, gut gebrauchen.
Mögen wir hoffen, dass Elitawana noch nicht gefallen ist und wir noch eine Chance haben die Gefahr aus der ersten Drachenwelt zu bannen. Für die Drachen. Und für uns.
Askir legt den Griffel beiseite und blickt vom Papier auf. Er ist sich bewusst, dass bei der Erweckung der Drachen die erste Hürde die erforderliche Überzeugungsarbeit bei den Anhängern des Wandels sein wird. Viele von ihnen wehren sich noch immer gegen die Vorstellung, dass der Wandel einen Drachen hat.
Der Kapitän greift sein Rumglas und nimmt einen Schluck. Aber was soll man sich Gedanken machen, bevor man vor dieser Herausforderung steht? Jetzt gilt es nur zu warten und zu hoffen …
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