Wie schon in einem vorherigen Beitrag angekündigt habe ich mir das Larp-Regelwerk DragonSys in der 3rd Edition gekauft – und jetzt ist die Zeit gekommen für eine Rezension. Dabei werde ich diese in verschiedene Teile gliedern (wahrscheinlich vier Stück), weil es doch etwas länger werden könnte. Gerade falls eine Diskussion auftreten sollte (was ich hoffe) sind Sinnabschnitte ebenfalls sinnvoll.
Rein optisch kommt das Regelwerk sehr schick daher. Dabei lässt es sich hinsichtlich Schriftart und -größe gut lesen, trägt mit seinem Layout aber auch dem Fantasy-Genre Rechnung. Mit 79 Seiten ist es schmaler als die bisherigen DragonSys-Regelwerke, zumal es auch Trankregeln und die Magieregeln beinhaltet – für nur 9,90 €. Nur fehlt eine Übersichtstabelle, damit man nicht immer im Buch die einzelnen Fähigkeiten heraus suchen muss. Dabei richtet sich das Buch mit den meisten Erläuterung an Anfänger im Hobby-Larp, wobei mir die Larp-Philosophie, die durch klingt, an sich gut gefällt:
Alles in allem: LARP findet zum Vergnügen der Teilnehmer statt. Daher ist es eigentlich das Wichtigste, dass möglichst jedermann sich gut amüsiert.
Mehr muss man an sich nicht über das Thema verlieren, so dass man sich der Charaktererstellung zuwenden kann. Dabei orientiert sich die 3rd Edition an der Classic-Version und 2nd Edition, so dass der universelle Charakter, der grundsätzlich alles lernen kann, die Hauptcharakterklasse darstellt. Da der universelle Charakter auf Grund der geringeren Punkte früher eher selten anzutreffen war ist der Unterschied zum spezialisierten Krieger oder Magier in der 3rd Edition geringer: 50 EP zu 60 EP beim Start und 5 EP bzw. 6 EP pro Contag (2nd Edition 50/70 und 5/7). Damit wird der universelle Charakter aufgewertet – ebenso wie mit der jetzt fehlenden Einschränkung, dass er keinen Meister bzw. Großmeisterstatus erreichen kann.
Rassenfähigkeiten gibt es, im Gegensatz zu DragonSys Classic, 2nd Edition und DNZ (Das neue Zeitalter), gar nicht mehr. Wer eine Fremdrasse spielen möchte erhält dadurch keine Vorteile, denn ausschließlich die Lust an der guten Darstellung der Fremdrasse sollte Grund sein ein solches Wesen zu spielen. Ebenso verhält es sich mit den Vor- und Nachteilen, die man sich bei vorherigen Regelwerken zulegen konnte. Jetzt startet jeder mit den selben Voraussetzungen und andere bzw. besondere Wesen zu spielen hat allein darstellerische Auswirkungen, was ich sehr begrüße. Gerade im Gegensatz zu dem stark reglementierten DNZ ist die Erstellung eines Charakters mit der 3rd Edition einfacher und schneller, ebenso ist die Heilkunde für alle Charakterklassen erlernbar. Apropos Heilkunde:
Mein wohl größter Kritikpunkt am Regelwerk betrifft die Fähigkeit Heilkunde. Zwar ist sie im Vergleich mit der 2nd Edition besser ausgearbeitet, wo diese Fertigkeit 30 EP kostet, aber insgesamt 60 EP für einen voll ausgebildeten Arzt ist einfach zu gering. Vor allem, wenn man mit 150 Punkten Meistermagier wird und auch beim Fachwissen 100 EP benötigt, um in seinem Fach meisterlich zu sein. Daher wäre meines Erachtens statt Heilkunde 1 (20 EP, Sanitäter), Heilkunde 2 (40 EP, Arzt) und Heilkunde 3 (80 EP, Chirurg) eine Abstufung in Heilkunde 1 (20 EP, Sanitäter), Heilkunde 2 (40 EP, Bader), Heilkunde 3 (100 EP, Arzt) und Heilkunde 4 (200 EP, Chirurg) als aufeinander aufbauende Fähigkeiten besser und gerechter gewesen. Zudem hätte es den meiner Erfahrung nach gespielten Realitäten eher entsprochen.
Ebenfalls kritisch sehe ich die Regenerationsstufen, die meines Erachtens gerade für menschliche Charaktere einfach zu stark sind. Man muss auch bedenken, dass jede höhere Regenerationsstufe das Spielpotential für die Heiler verringert. Auch die indessen oft gespielte Erfordernis der Reinigung der Wunden, bevor sie zugehen, ist nach dem Regelwerk nicht erforderlich. Gerade die Fähigkeit „Regeneration 4“ finde ich zu stark und glaube nicht, dass ich sie als SL zulassen würde. Heilung aller Wunden innerhalb von 15 Minuten und Nachwachsen abgeschlagener Körperteile innerhalb einer Stunde braucht (sozusagen) kein Mensch.
Eine gute Idee ist meiner Ansicht nach die Einführung der Fähigkeit „Fachwissen“. Es wird nicht mehr vorgegeben, dass es nur bestimmte Fachgebiete gibt (wie Geschichten und Legenden, Schriften, Spurenlesen, etc.), sondern jeder kann Fachwissen in gewissen Bereichen erwerben und auch weitere Fachgebiete dazu nehmen, wenn es zum Charakter passt (z.B. Rechtskunde, Werwolfskunde, Kryptozoologie, etc.).
„Niederschlagen“ heißt endlich nicht mehr „Pömpfen“ (ich frage mich noch immer, wer sich damals diese Wort hat einfallen lassen, was grausigerweise indessen sogar seinen Weg in die IT-Konversation gefunden hat). Aber warum es eine Fähigkeit „Niederschlagen“ geben muss und man nicht jedem Charakter zugestehen kann, jemandem mit einem stumpfen Gegenstand auf den Kopf zu hauen, verstehe ich ehrlich gesagt nicht.
Wer gemeuchelt wird, der verliert alle Lebenspunkte und sinkt ohnmächtig zusammen – aber er ist nicht tot und stirbt bzw. verblutet auch nicht schneller, als wenn man in einer Schlacht alle Lebenspunkte verliert. Erst durch einen angesagten Todesstoß (für den es meines Erachtens gegen SCs faktisch nie einen wirklichen Grund gibt) kann ein Charakter sterben. Ich wusste es erst gar nicht, aber diese Regel stand schon so in der 2nd Edition. Mir wurde die Funktionsweise des Meuchelns in den ganzen zehn vergangenen Jahren immer anders erzählt. Dabei ist diese Regelung wirklich gut.
Da wir gerade vom Sterben eines Charakters sprechen, bleiben wir doch direkt dabei. In der 3rd Edition wird klar auf die Verantwortung eingegangen, die man im Umgang mit dem Tod anderer Charaktere hat, denn es gibt „in fast allen Fällen und für beide Seiten elegantere und spielerisch wertvollere Lösungen als brutalen Mord.“ Außer in Fällen, in denen ein Todesstoß gesetzt wird oder ein Gift bzw. eine Falle eine entsprechend adäquate Wirkung hat, scheint das neue Regelwerk die Opferregel zu präferieren, was ich generell im Larp noch stärker befürworten würde.
In vielen Foren findet man bezüglich der 3rd Edition die Kritik, dass man keine Punkte mehr für einen Adelstitel ausgeben muss. Im DNZ war es anders: Hier musste man für gewisse Adelstitel bestimmte Fähigkeiten können. Im Endeffekt finde ich aber den kompletten Wegfall der Adelsfrage in der 3rd Edition gut, denn Adel definiert sich nie über Punkte, sondern über das Spiel. Und das heißt in erster Linie Kleidung, Ausstattung, Auftreten und Gefolge. Getreu dem alten Motto:
Gutes Spiel ersetzt Punkte, aber Punkte ersetzen nie gutes Spiel.
Und ich denke mit diesem guten Zitat (der übrigens nicht im Regelwerk steht) möchte ich den ersten Teil beenden. Demnächst werde ich mich mit dem Tranksystem und mit dem Magiesystem der 3rd Edition von DragonSys beschäftigen. Und jetzt hoffe ich hier über die Kommentarfunktion auf eine rege Diskussion bzw. Eure Meinungen zu den angesprochenen Regeln.
Schreibe einen Kommentar